April 2020

Donnerstag, 30. April

Endlich Regen

Die Wiese hinter unserem Haus sah inzwischen schon fast so aus, wie ich es sonst nur aus dem Süden kenne: vertrocknet braun. Jetzt hat es endlich geregnet. Mich fasziniert, wie schnell etwas Totgeglaubtes nach Wasserzufuhr wieder wächst.

Ein chinesisches Sprichwort geht so:

Willst du eine Stunde lang glücklich sein,
dann betrinke dich.

Willst du drei Tage lang glücklich sein,
dann heirate.

Willst du eine Woche glücklich sein,
dann schlachte ein Schwein.

Willst du ein Leben lang glücklich sein,
dann werde ein Gärtner.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich viele bei der letzten These nicken. Mit bloßen Händen in Erde zu wühlen, zu säen und pflanzen, zu hegen und pflegen macht viele Menschen glücklich.

Auch Stadtmenschen. Anfang dieser Woche habe ich gesehen, dass die Krautäcker an der St. Michael-Straße doch noch zum Beackern vorbereitet wurden. Ich dachte schon, da wird nichts mehr draus in diesem Jahr.

Lässt sich die Aussage „Willst du ein Leben lang glücklich sein, dann werde ein Gärtner“ vielleicht auch übertragen verstehen? Ich denke schon. Wenn wir uns gegenseitig hegen und pflegen, uns um einander kümmern, füreinander da sind, dann tut uns das gut. Wenn wir uns mit liebevollen Worten begießen, werden wir uns innerlich aufrichten. Wenn wir uns mit gutem Rat düngen und mit konstruktiver Kritik bejäten, werden wir wachsen und reifen. Seien wir einander gute Gärtnerinnen und Gärtner. Auf dass wir ein Leben lang glücklich sind.


Verena Übler


Mittwoch, 29. April

29. April vor 75 Jahren: Befreiung von Dachau

"Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Das sind Worte von Max Mannheimer (1920-2016), die er an viele Jugendliche richtete. Er und sein Bruder Edgar überlebten die Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau, Warschau und Dachau. Seine Eltern, Geschwister und seine Ehefrau wurden in den Lagern ermordet. Seit den 1980er Jahren besuchte er als Zeitzeuge zahlreiche Schulen und führte durch die KZ-Gedenkstätte in Dachau. Unermüdlich machte er den Schülerinnen und Schülern deutlich, wie wichtig es ist, für die Demokratie einzustehen.

Am 23. April 1945 befreiten US-Truppen das Konzentrationslager Flossenbürg in der Oberpfalz und am 29. April 1945, heute vor 75 Jahren, das Konzentrationslager Dachau.

Zwischen all den Meldungen zum Coronavirus und zur Krise darf das Gedenken in diesen Tagen nicht untergehen. 2000 Teilnehmende, unter ihnen 90 Überlebende des Konzentrationslagers, wären zu den Gedenkveranstaltungen nach Dachau gekommen, die nun wegen der Corona-Krise ausfallen müssen.

Ich sehe es als unsere Aufgabe, dass wir als Christinnen und Christen die Erinnerung wachhalten und widersprechen, wenn es heißt, man solle doch unter das Geschehene einen Schlussstrich ziehen oder das Gedenken müsse ein Ende haben.

Der Schriftsteller Elie Wiesel, der das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hat, schrieb, das Gegenteil von Erinnern sei nicht das Vergessen, sondern die Gleichgültigkeit. Daher sei „die wichtigste und dringlichste Antwort auf die Katastrophe, der Gleichgültigkeit entgegen zu wirken“.

Ich, der mehr als dreißig Jahre nach Kriegsende geboren ist, und diejenigen, die nach mir geboren sind, sind nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber wir und die nachfolgenden Generationen tragen Verantwortung dafür, dass das Gedenken nicht verstummt, und dass nicht wieder geschieht, was geschehen ist. Wir alle tragen Verantwortung dafür, der Gleichgültigkeit entgegen zu wirken.

Die Gedenkveranstaltungen zur Befreiung des Konzentrationslagers Dachau werden nun digital stattfinden und übertragen. Sie finden sie unter den folgenden Internet-Adressen:
www.kz-gedenkstaette-dachau.de/aktuelles/liberation
www.sonntagsblatt.de
www.dachau.de
www.muenchner-kammerspiele.de

Felix Breitling


Dienstag, 28. April

Am Sonntag erreichte mich über meinen Whatsapp-Chorverteiler eine private Aufnahme aus dem Pfarrgarten der Auferstehungskirche. Eingeschlossen von den hohen Mauern der Kirche und der Gemeindegebäude stimmten einige Bläser*innen ein Lied an. Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand. Das Lied war wohl weit über den Pfarrgarten hinaus zu hören. Ein Zuruf. Eine Vergewisserung: Wir sehen uns wieder. Und bis dahin halte Gott dich fest in seiner Hand.

Mauern überwinden mit Musik, mit Kreativität. Öffentlich musizieren, was sonst in den vier Wänden stattgefunden hätte. Manch ein Gottesdienst findet im Freien statt und die Gottesdienstbesucher*innen sind innen an ihren Fenstern dabei. Die Klinikclowns kommen auch jetzt zu den Kindern und schenken einen Moment Hoffnung am Fenster. Der Wunsch und die Vergewisserung wollen hinaus in die Welt und hinein in die Wohnungen – vielerorts via Skype und Co oder per Zuruf von Balkon zu Balkon. Kontakt halten, auch wenn das Sehen aus der Nähe, die Berührung noch fehlt.

Möge die Straße uns zusammenführen. Damit beginnt das Lied. Davon gehen wir aus.
Möge die Straße uns zusammenführen und der Wind in deinem Rücken sein.
Sanft falle Regen auf deine Felder und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.

Oder in dieser meiner heutigen Version:
Möge die Straße uns zusammenführen und Geduld in deinem Gepäck sein.
Gut halte durch in deiner Wohnung und vertrau, Gott lässt dich nicht allein.

Stimmen Sie doch ein in das Lied, mit ihrem Text, in ihrer Version. Vielleicht auch mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht, wenn sie der Karaokeversion folgen:
 

Carolin Lochner


Montag, 27. April

Lachen steckt an

Bei Wikipedia heißt es, dass Lachen „eines der wichtigsten angeborenen emotionalen Ausdrucksverhalten des Menschen“ ist. Wir lachen, wenn uns etwas erheitert und festigen mit Lachen unsere sozialen Beziehungen.

Außerdem kann es „eine Entlastungsreaktion nach überwundenen Gefahren sein oder ein Abwehrmechanismus gegen spontane Angstzustände“.

Es steckt ganz schön viel Kraft drin, im Lachen. Ich finde besonders schön, dass Lachen ansteckend ist. Das Lied „Herzklopfen“ von Spider Murphy Gang bringt mich auch heute noch zum Lachen, obwohl ich es ungezählte Male schon gehört habe. Es ist eigentlich eine missglückte Studioaufnahme, wurde aber trotzdem mit auf die Platte genommen. Zum Glück! Der Lachanfall, der über die Band kommt, ist so lustig und ansteckend – ich bin überzeugt, da kann niemand ernst bleiben.

In der Bibel gibt es bei den Seligpreisungen im Lukasevangelium einen Vers, der lautet:

„Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen.“ Lukas 6, 21

Auch wenn wir nicht immer etwas zu Lachen haben, dürfen wir darauf vertrauen, dass es nicht so bleiben wird. Nach der Zeit des Weinens kommt auch wieder eine Zeit der Freude und des Lachens. Beides hat seine Zeit. Und deshalb wird auch beides in einem Satz ausgedrückt: wer jetzt weint, wird auch einmal wieder lachen. Menschen, die das verinnerlichen und darauf vertrauen, dürfen sich „selig“ nennen.

Ich wünsche allen, denen gerade nicht zum Lachen zumute ist, dass sie die Kraft zum Durchhalten bekommen, und dass sie sich hin und wieder anstecken lassen vom freundlichen, aufmunternden Lachen lieber Menschen um sie herum.

Verena Übler


Sonntag, 26. April

Videoansprache siehe "Predigten zum Nachhören"


Samstag, 25. April

„Bohnen zählen“

Dies ist die Geschichte von einem Grafen, der sehr, sehr alt wurde, weil er ein Lebensgenießer par excellence war.
Der Graf verließ niemals das Haus, ohne zuvor eine Handvoll Bohnen einzustecken. Er tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen. Nein, er nahm sie mit, um so die schönen Momente des Tages bewusster wahrzunehmen und um diese besser zählen zu können.
Für jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte, zum Beispiel einen fröhlichen Plausch auf der Straße, das Lachen seiner Frau, ein köstliche Mahl, eine feine Zigarre, einen schattigen Platz in der Mittagshitze, für alles, was seine Sinne erfreute, ließ er eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manchmal waren es gleich zwei oder drei.
Abends saß er dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er zelebrierte diese Minuten. So führte er sich noch einmal vor Augen, wie viel Schönes ihm an diesem Tag widerfahren war und freute sich daran. Und sogar an einem Abend, an dem er bloß eine Bohne aus der linken Jackentasche holte, war für ihn der Tag gelungen, hatte es sich zu leben gelohnt.
[Quelle unbekannt]


Zur Zeit sind die schönen Momente des Tages wahrscheinlich ganz andere als noch vor einigen Wochen. Sind es auch weniger? Vielleicht ist das „Bohnen-Zählen“ eine gute Übung, um festzustellen, es gibt sie auch jetzt, die schönen Augenblicke. Wichtig ist, sich nicht unter Druck zu setzen. Vielleicht ist es tatsächlich nur eine Bohne, die man am Abend aus der Tasche holt. Aber die Erinnerung an diesen einen Moment gibt Kraft für den nächsten Tag.

Verena Übler


Freitag, 24. April

Einige Äußerungen aus den vergangenen Tagen gehen mir gerade durch den Kopf. Beim Gespräch über den Zaun hinweg, sagte ein Vater gestern: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass vieles wichtiger ist als das Wohl von Kindern.“

Auf Medienberichte, dass zwar Spieler der Bundesliga umfassend getestet werden sollen, es für die Einrichtungen der Altenhilfe aber keine flächendeckenden Tests gibt, reagierte der Präsident der Diakonie Bayern, Michael Bammessel: „Es ist ein Unding, wenn Profifußballer besser geschützt werden sollen als pflegebedürftige Menschen. Bis genügend Testmaterialien und Laborkapazitäten vorhanden sind, müssen Schutzbedürftige und Pflegekräfte Vorrang haben vor Bundesligaspielen.“

Und der Magdeburger Bischof Feige sagte, auch wenn es ihm weh tue, dass immer noch keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden können, frage er sich dennoch, ob die Gottesdienstausfälle angesichts des Leids großer Teile der Bevölkerung nicht fast  "Luxusprobleme" sind.

Wann können Kindergärten wieder öffnen? Wann können Bewohnerinnen und Bewohner von Seniorenheimen wieder Besuch empfangen? Sind Bundesligaspiele gerade wirklich notwendig? Wie wichtig sind Gottesdienste? Es geht darum, Menschen vor dem Virus zu schützen, es geht aber auch um die psychische Gesundheit vieler, es geht um den Schutz von alten Menschen und gleichzeitig um die Rechte von Kindern und es geht um die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen.

Mit den Worten „In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige“ hat der österreichische Satiriker Karl Kraus treffend die Herausforderung der Entscheidung beschrieben und ich beneide derzeit keine und keinen darum, die oder der in dieser unüberschaubaren Situationen Verantwortung für das öffentliche Leben trägt, abwägen und solche weitreichenden Entscheidungen treffen muss.

Ich meine, dass wir als Christinnen und Christen konstruktive Impulse in unsere Gesellschaft und in die gegenwärtige Diskussion hineingeben können. Nüchtern und besonnen. Überlegt. Getragen von der Liebe Gottes, im Vertrauen auf Gottes Vergebung und überzeugt vom Gebot der Nächstenliebe.

Vor dem Hintergrund der jetzigen Situation gewinnt für mich auch die Fürbitte für diejenigen, die Verantwortung für das öffentliche Leben tragen und Entscheidungen treffen, an Bedeutung:

„Barmherziger Gott, wir bitten Dich für alle, die in dieser schwierigen Zeit Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen müssen. Schenke ihnen Weisheit, Kraft und Besonnenheit. Amen.“                                                                            

Felix Breitling


Donnerstag, 23. April

Die Tageslosung für heute steht beim Propheten Jesaja (Kapitel 44, Vers 21):
„Ich habe dich bereitet, dass du mein Knecht seist. Israel, ich vergesse dich nicht!“

Und dazu wurde als sogenannter Lehrtext ausgesucht:
„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ (Hebräerbrief 10, 35)

Vertrauen oder Misstrauen? Optimismus oder Pessimismus? Halbvolles oder halbleeres Glas? Wie stehen Sie dazu? Leben Sie einen gepflegten Pessimismus, getreu dem Motto, „dann kann ich auch nicht enttäuscht werden“ bzw. „dann freue mich um so mehr, wenn es anders kommt“? Oder schauen Sie zuversichtlich auf das, was kommt, und genießen die Zeit bis dahin, nach dem Motto „um Probleme kümmere ich mich dann, wenn sie auftauchen“?

Und woher kommt die jeweilige Einstellung? Ist sie angeboren oder angelernt? Kann man sich in die eine oder andere Richtung entwickeln? Und welche Rolle spielt Gott dabei?

In der Tageslosung steckt ein großartiges Versprechen Gottes. Gott verspricht Israel, es nicht zu vergessen. Und zwar, ganz einfach, weil Israel zu Gott gehört. Dieses Versprechen musste Jesaja immer mal wiederholen, weil Israel ja im Exil war und desöfteren kurz davor, das Vertrauen zu Gott zu verlieren.

Daher passt der zweite Vers aus dem Hebräerbrief ganz wunderbar, denn auch da geht es darum, nicht den Glauben zu verlieren bzw. wegzuwerfen. „Glauben“ oder eben „Vertrauen“, die beiden Begriffe sind austauschbar. An Gott festhalten, den Glauben nicht verlieren, das Vertrauen beibehalten, wie auch immer, es ist nicht immer leicht. Auch in diesen Tagen nicht. „Eine große Belohnung“ wird in dem Vers erwähnt. Was kann das sein? Ein Topf voll Gold? Wahrscheinlich nicht. Ich glaube, es ist auch keine zukünftige Belohnung, sondern eine, die wir schon erhalten haben. Wir haben es uns gerade erst wieder vergegenwärtigt, als wir Ostern gefeiert haben. Dass Christus auferstanden ist, das ermöglicht uns ein freies, vertrauensvolles, erlöstes Leben. Es lohnt sich, das Vertrauen zu Gott nicht wegzuwerfen, sondern daran festzuhalten  - alle Tage!


Ostern alle Tage

Trotzdem wieder aufstehen
nicht jubelnd
nicht erlöst
nicht heiliggezaubert
aber aufstehen

Gott etwas zutrauen
keine Allmacht
keine Heerscharen
kein Donnergetöse
aber zutrauen

Im Totenreich nicht heimisch werden
das letzte Wort nicht selber sprechen
und morgen wieder aufstehen

(von Carola Moosbach)

Verena Übler


Mittwoch, 22. April

„Auf Wiedersehen beim 3. Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt – so Gott will und wir leben.“ Mit diesem Zusatz enden die Abschlussgottesdienste des Deutschen Evangelischen Kirchentags. „So Gott will und wir leben“. Früher befremdeten mich diese Worte und machten mir beinahe etwas Angst. Sie stammen aus dem Jakobusbrief (Jak 4,13-15). Jakobus hat sie damals für Kaufleute geschrieben, die vollmundig gesagt haben: „Heute oder morgen wollen wir in die eine oder andere Stadt gehen und ein Jahr dort bleiben, Handel treiben und Gewinn machen.“ Darauf entgegnet ihnen Jakobus: „Ihr wisst doch noch nicht mal, was morgen ist. Stattdessen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“

Niederländische Kaufleute haben später dafür eine Abkürzung erfunden. SCJ – Sub conditione jacobea – unter dem Vorbehalt von Jacobus. „So Gott will und wir leben, werden wir dieses oder jenes tun.“ Unsere Geschäfte können wir nur führen, wenn Gott will und wir leben. Wir haben nicht alles in der Hand. Daher anstatt „Wir wollen“ eher: „Wenn der Herr will“.

Mittlerweile stehe ich diesen Worten „So Gott will und wir leben“ anders gegenüber. Ich sehe sie als einen Aufruf dazu, uns als Menschen in unseren Grenzen zu sehen. Es ist nicht alles von uns abhängig und wir haben nicht alles in der Hand.

Es liegt zwar an mir, genau zu planen, und möglichst – wenn das überhaupt geht – meine Pläne bis ans Ende und die Folgen zu bedenken; auch nicht nur bis morgen zu planen, und dabei mein Menschenmögliches zu tun. Mein Menschenmögliches. Aber letztlich bleibt dieser Rest, den wir als Menschen nicht in der Hand haben.

Diese Begrenztheit unseres Planens erlebe ich gerade. Lange geplante Großveranstaltungen werden abgesagt. Wann alle Kinder wieder in die Schule gehen werden, wie unser Gemeindeleben in diesem Jahr aussehen wird und vieles andere wissen wir noch nicht.

„So Gott will und wir leben.“ Diese Worte erinnern mich daran: Gott ist Gott und wir sind Menschen – und als solche haben wir die Zukunft nicht vollkommen in der Hand.

Felix Breitling


Dienstag, 21. April

Jesaja 40, 31:
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.


Einer meiner Lieblingssprüche in der Bibel. Er war am vergangenen Sonntag Teil des Predigttextes.

Die Vorstellung aufzufahren mit den großen Schwingen des Adlers, immer höher, immer weiter, dem blauen Himmel entgegen und dann schweben, mich tragen lassen, durch die Luft gleiten. Los lassen. Losgelöst.

Und dann in meiner Vorstellung der Blick nach unten. Ich sehe mich, meine Wohnung, meine Nachbar*innen, meine Straße, mein Stadtviertel, München, die Berge.

Der Abstand weitet den Blick. Und gleichzeitig habe ich den scharfen Adlerblick. Mit Übersicht, aber gestochen scharf. Der getrübte Blick wird klar. Der Körper streckt sich, ich bekomme neue Kraft.  

 

Herr, schenke mir Vertrauen und Weitblick. Lass mich nicht müde und matt werden, in den Herausforderungen des Alltags zu gehen und zu wandeln. Amen.

Carolin Lochner


Montag, 20. April

Ein bisschen noch

Neulich musste ich an meinen alten Kassettenrecorder denken. Der stand griffbereit neben meinem Bett. Und wenn abends bei „Pop nach Acht“ mit Thomas Gottschalk im Radio ein gutes Lied kam, dann hab ich blitzschnell auf den Aufnahmeknopf gedrückt. Hat sich später herausgestellt, dass das Lied doch nicht sooo toll war, oder die Aufnahme schlecht, hab ich einfach zurückgespult und was Neues aufgenommen.

Ich hätte gern so einen Recorder für die Welt. Dann würde ich jetzt bald mal zurückspulen und diesen Frühling nochmal neu aufnehmen. So schöne Tage würde ich aufnehmen mit Sonne und einem lauen Lüftchen. In der Nacht würde es mal so richtig regnen, weil die Natur das ja auch braucht. Dienstags und Donnerstags würde ich ganz normal in die Schule gehen. Die letzten Konfi-Tage vor der Konfirmation würden stattfinden. Ich hätte meinen Friseurtermin, wie geplant, und würde beim monatlichen „Mädelsabend“ meine Freundinnen treffen. Wir würden die Ostertage genießen, wie gewohnt.

Und alles ohne Corona.

Leider gibt es diesen Rückspulknopf für die Welt nicht. Andererseits ist es vielleicht auch besser so. „Das Leben wird vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden.“ so wird der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard gern zitiert. Nach vorne schauen, heißt das doch auch. Die ersten Lockerungen kommen, aber ein bisschen Geduld brauchen wir noch. Geduld und dass wir nicht aufhören, die Herzen eng zusammen zu rücken.

So singt es die Band „Silbermond“ in einem aktuellen Lied:

„Auch wenn um uns gerade alles wackelt
und es Abstand braucht,
rücken wir die Herzen eng zusammen,
machen wir das Beste draus“.

Halten Sie durch!

Verena Übler


Samstag, 18. April

„Ich glaube, jetzt brauchen wir einfach Geduld“, hat gestern jemand zu mir gesagt. Ja, das stimmt wohl. Geduld ist für mich ein schillerndes Wort. Auf der einen Seite klingt es nach Passivität, nach bloßem Warten und Hinnehmen. Aber es gibt auch noch eine andere Seite. In meinem Bücherregal steht ein Gedichtband vom Schweizer Pfarrer und Dichter Kurt Marti mit dem Titel „Geduld und Revolte“. Das klingt anders als bloße Passivität. Im Neuen Testament steht für die Geduld das Wort Hypomone, wörtlich „Darunter-Bleiben“, das Ausharren, die Ausdauer, das Standhalten.

Das andere Wort ist Makrotymia, der große Mut, der Langmut gegen über anderen. Der große Mut sieht größer, hat einen weiteren Blick. Er verzichtet auf das Sofort, setzt den anderen nicht unter Druck, tritt auch mal einen Schritt zurück, lässt Zeit für Veränderung. Der große Mut sieht auf die anderen und auf den größeren Zusammenhang.  

Es gibt im Leben viele Situationen, die Geduld fordern, die sich nicht schnell lösen und ändern lassen – nicht nur jetzt in der Coronakrise. Ich bewundere oft, wie Menschen mit solchen Situationen umgehen und sie aushalten. Einige sagen, ihr Glaube gibt ihnen dabei Kraft.

In der Bibel kommen die Geduld und der Langmut von uns Menschen aus der Liebe Gottes und seinem Langmut gegenüber uns Menschen. „Er gebe euch in der Macht seiner Herrlichkeit viel Kraft, damit ihr in allem Geduld und Langmut habt“, bittet der Autor des Briefs an die Kolosser für die Gemeinde dort.

„Ich glaube, jetzt brauchen wir einfach Geduld.“ Ja, das stimmt wohl. Ich vertraue darauf, dass Gott uns die Kraft dazu gibt – für die Ausdauer, für das Standhalten und für den großen Mut.

Felix Breitling


Freitag, 17. April

Eine Quarantäne mit Kunst

Charmant, wie unsere momentane Lage mit Hilfe berühmter Kunstwerke ausgedrückt werden kann. Die letzten beiden Bilder rühren besonders an unsere Sehnsucht nach Nähe und Gemeinschaft. Ein wenig müssen wir noch Durchhalten. Ein wenig dauert es noch an das „physical distancing“, das körperliche Abstandhalten. Ein soziales Abstandhalten ist es ja zum Glück nicht, da ist der viel benutzte Begriff „social distancing“ irreführend. Die vielen kreativen Aktionen, ob das nun Balkonsingen oder Videochat oder Nachbarschaftshilfe ist,  zeugen von Solidarität, von sozialem Miteinander unter besonderen Umständen.

Gebe Gott uns alle Kraft, die wir brauchen und bleiben Sie behütet!

Verena Übler


Donnerstag, 16. April

Es wird gerade viel diskutiert, wie eine Rückkehr zur Normalität möglich ist. „Erste Schritte in die Normalität“ steht heute auf einer Zeitung. Aber ich frage mich: Was ist das eigentlich, die Normalität? Wer legt fest, wie Normalität aussieht? Wollen wirklich alle in diese Normalität zurückkehren?

Es gibt eine Normalität, in die ich gerne zurückkehren möchte. Die Normalität, in der wir wieder aufeinander zugehen können, uns frei bewegen können, gemeinsam Gottesdienst, Taufen und Konfirmation feiern und uns im Seniorenkreis treffen können.  

Viele Menschen wünschen sich, möglichst schnell in die Normalität zurückzukehren, weil sie gesund werden wollen, weil sie sich um ihren Lebensunterhalt sorgen. Aber es gibt viele Menschen, für die sah die „Normalität“ noch nie gut aus.

Und ganz ehrlich, es gibt eine Normalität, in die ich nicht zurückkehren möchte. Die Normalität, dass Deutschland einer der größten Waffenexporteure der Welt ist, die Normalität, dass sehr viele Kinder auf dieser Erde keine Zukunft haben. Die Normalität, dass viele Güter sehr ungerecht verteilt sind. In diese Normalität möchte ich nicht zurückkehren. Und ich träume davon, dass Frieden und Gerechtigkeit zur Normalität werden.

Henning Luther, ein Theologe, den ich sehr schätze, hat einen bemerkenswerten Satz geschrieben: „Weltgeschichtliche und lebensgeschichtliche ‚Krisenerfahrungen‘ können aus der Welt- und Selbstvergessenheit herausreißen und die normalerweise nicht erwogene Möglichkeit, dass es auch anders sein könnte, ins Bewusstsein heben. Die Beunruhigung wird hier nicht als abzuwehrendes Unheil wahrgenommen, sondern gerade als heilsam.“ (Religion und Alltag, S. 216).

Ja, es könnte auch anders sein. Das haben die Propheten im Alten Testament mit ihrer Kritik an der „Normalität“ und mit ihren Visionen von einer anderen Welt deutlich gemacht. Auch Jesus hat mit seinem Handeln und Leben immer wieder gezeigt, dass Menschen nicht in Normen und eingespielten Mustern gefangen sind, sondern viel mehr Lebensmöglichkeiten haben.  

Jetzt ist die Zeit, darüber zu reden, in welche Normalität wir zurückkehren wollen.

Felix Breitling


Mittwoch, 15. April

Fast jeden Tag drehen mein Mann und ich unsere Runde über den Ostfriedhof. Mal links rum, mal rechts rum, und auf alle Fälle an den Kaskaden vorbei (leider noch immer ohne Wasser). Am Ende sind wir dann fast 4 km gelaufen.
Ein Friedhof strahlt eine ganz eigene Atmosphäre aus. Friedlich, ja, in der Tat - aber nur, wenn man weit genug von der S-Bahn-Strecke entfernt ist. Viele Gräber sind frisch bepflanzt mit Stiefmütterchen und Gottesaugen in allen Farben. Die Bäume sind in diesen Wochen grün geworden, von manchen „schneit“ es herunter, wenn der Wind durch die Blüten weht. Die Vögel zwitschern und unerschrockene Eichhörnchen jagen sich die Bäume rauf und runter.
Wir laufen, unterhalten uns und studieren immer wieder die Inschriften auf den Grabsteinen und Kreuzen. Manche sind ungewollt (oder vielleicht doch gewollt?) zum Schmunzeln – siehe Foto.

So viel Geschichte, so viel Lebensgeschichte ist an diesem Ort vereint. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wenn ein Mensch stirbt, ist es als würde eine ganze Bibliothek verbrennen.“

Gerade „verbrennen viele Bibliotheken“ und es stimmt mich traurig, dass diese Menschen oftmals gar nicht gleich gewürdigt werden können. Viele Trauerfeiern werden erst einmal verschoben.
Und mit verschoben wird sicher auch die eine oder andere Trauerarbeit. So schnell kann man innerlich gar nicht hinterherkommen. Ich hoffe sehr, dass ganz viel von dem, was wir in diesen Ostertagen hören, lesen, sehen, dass ganz viel von unserem Auferstehungsglauben all denen, die es ganz besonders brauchen, Trost gibt und Mut macht, Kraft schenkt und aushalten lässt.

Mein Wunsch für diese Tage:

Gelassenheit den Sorgenden
Mut den Verzagten

Trost den Traurigen
Geborgenheit den Einsamen

Hoffnung den Ausgegrenzten
Freiheit den Gefangenen

Wasser in der Wüste und Brot für den Weg
Berührung des Herzens


Verena Übler


Dienstag, 14. April

Ostern 2020.  Eine Reflexion.
Ich lade Sie ein, sich Zeit zu nehmen. Die Gedanken kommen und gehen zu lassen. Vielleicht mögen Sie sich Notizen machen. Oder Sie setzen einfach Pausen zwischen die Fragen. Sie bestimmen selbst, wie viel Raum Sie dem Nachspüren geben wollen.

Worüber hab ich mich gefreut?
     Was waren meine österlichen Lichtblicke?
     Woran mache ich meine Osterfreude fest?

Wie habe ich gefeiert?
     Wer war dabei? In welcher Form, über welchen Kanal?
     Wie ging es mir dabei?
     Welche Traditionen habe ich dieses Jahr gepflegt? Was gab es zu essen?
     Was stand auf dem Programm? Welches Gespräch hat mich beschäftigt?

Inwiefern war es anders?
     Was hat mir gefehlt?
     Was habe ich neu probiert?
     Was möchte ich nächstes Jahr genauso machen wie dieses Jahr?
     Was darf nächstes Jahr keinesfalls fehlen?

Was nehme ich für mich mit?
     Was habe ich dieses Jahr bewusster wahrgenommen?
     Inwiefern ist in mir Ostern geworden?
     Was hat mich bewegt, berührt?
     Inwiefern hat mir dieses Ostern Kraft gegeben für die kommende Zeit?
     Was ist in mir neu geworden?
     Was möchte ich mitnehmen? Wie kann es täglich Ostern werden?

Martin Luther:
"Bei uns ist alle Tage Ostern, nur dass man einmal im Jahr Ostern feiert."


Carolin Lochner


Ostermontag, 13. April

Videoansprache siehe "Predigten zum Nachhören"

Zwei der Jünger sind auf dem Weg nach Emmaus. Ein Dorf, etwas mehr als 60 Kilometer von Jerusalem entfernt. Sie wollten nur noch fort von dem Ort, an dem alle ihre Hoffnungen zerstört wurden. Auf dem Weg sprechen sie darüber, was sie in den vergangenen Tagen in Jerusalem erlebt haben. Da nähert sich ihnen ein Unbekannter. Es ist Jesus, aber sie erkennen ihn nicht. Zu sehr sind sie in sich verschlossen, enttäuscht und gefangen in ihrer Trauer. Gehen auf ihrem Weg mit engem Blick. Wie unter Schock sind sie nach dem, was sie erlebt hatten.
Er geht mit ihnen, teilt ihren Weg und hört ihnen einfach zu. „Über was sprecht Ihr da?“, fragt er sie. „Bist Du der Einzige, der nicht weiß, was in Jerusalem in den vergangenen Tagen geschehen ist?“, entgegnen sie irritiert. „Was denn?“, fragt er zurück. Jesus fragt, damit sie erzählen können, was sie bewegt. Damit sie Worte finden können für ihre Trauer. Sie erzählen ihm von der Kreuzigung, von ihren zerstörten Hoffnungen, vom leeren Grab und er versucht mit ihnen, einen Sinn in all dem zu finden, eine Spur, auf der sie weitergehen können.
Als sie sich zusammen dem Dorf Emmaus nähern und es Abend wird, bitten sie ihn, bei ihnen zu bleiben: „Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt“, sagen sie zu ihm. Er geht mit ihnen ins Haus und bleibt bei ihnen. Nun sitzen sie gemeinsam am Tisch. Er nimmt das Brot, dankt und bricht es auseinander - er feiert mit ihnen, so wie bei ihrem letzten gemeinsamen Mahl vor seinem Tod. Da erkennen sie, wer bei ihnen war. Und er verschwindet. Sie sehen die Auferstehung mit ihren eigenen Augen. „Hast Du es nicht gemerkt? Brannte nicht unser Herz, als er mit uns redete?“ fragen sie sich.
Miteinander ein Stück Weg teilen, sich zuhören und nicht gleich eine Antwort parat haben. Erzählen dürfen, was mich bewegt. Gemeinsam nach Sinn suchen und einer Spur, auf der ich weitergehen kann. Gott erfahren, auch wo ich ihn nicht vermute. Abendmahl feiern, an einem Tisch sitzen und Gastfreundschaft leben können – ich hoffe, dass das bald wieder möglich ist.
Zum Nachlesen: Lukas 24, 13-35

Gebet
O unvertrauter Gott,
wir suchen Dich an Orten,
die du schon verlassen hast,
und sehen dich nicht,
selbst wenn Du vor uns stehst.
Gib, dass wir Dich in Deiner Fremdheit erkennen
und uns nicht an vertrauten Schmerz klammern,
sondern frei sind,
die Auferstehung zu verkünden,
im Namen Christi.
Amen.


(Janet Morley)

Felix Breitling


Ostersonntag, 12. April

Videoansprache siehe "Predigten zum Nachhören"

„Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja.“

Wie viel mehr als sonst brauchen wir den Osterruf in diesem Jahr.
Wie viel mehr als sonst wünschen wir uns, es möge wirklich wahr sein: Christus hat den Tod besiegt. Das Leben geht weiter.

Aufgeklärt und rational denkend wie wir sind, ist das nicht leicht zu glauben. Tot ist tot, das ist nun mal unsere Erfahrung.
Es ist aber nicht nur unsere einzige Erfahrung. Zum Glück.
Zum Glück erleben wir Auferstehung viele Male in unserem Leben.
Zum Beispiel wenn wir nach einem Liebes-Aus irgendwann wieder bereit sind für einen neuen herzallerliebsten Menschen in unserem Leben.
Wenn wir uns nach einer vergeigten Prüfung wieder berappeln, die Ärmel hochkrempeln und das Ganze noch mal versuchen.
Oder wenn nach einem Burnout Leben ganz neu und ganz anders beginnen kann.

Solche Auferstehungen sind möglich, weil Christus den Grund dafür gelegt hat. Seine Auferstehung bedeutet: Vertraut mir! Ihr seid erlöst. Ihr seid frei. Selbst der Tod kann euch nichts anhaben, denn ihr gehört zu mir. Mit meiner Liebe und mit meiner Kraft könnt ihr immer wieder aufstehen.
Die Sorgen, die viele von uns in diesen Tagen haben, lösen sich nicht einfach auf. Wenn wir uns aber zurufen: „Der Herr ist auferstanden!“, dann soll uns das gewiss machen, dass Gott das Leben für uns will.
Und wir zu allem, was wir tun, die nötige Kraft bekommen.

Lesen Sie im Licht einer (Oster-)Kerze folgenden Bibeltext:
Evangelium nach Johannes, Kapitel 20, Verse 11-18


Segen

Segen leuchte uns
wie das Licht am Ostermorgen.
Gottes Friede begleite uns.
Gottes Liebe beflügle uns.
Gottes Freude rühre uns an.
Christus ist auferstanden.
In diesem Glauben segne uns Gott.
Amen


(Hanne Köhler)

​Verena Übler


Samstag, 11. April

Am 9. April 1945, vor 75 Jahren, wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet. Aus diesem Anlass besteht der heutige Gedanke zum Tag aus zwei Texten von Dietrich Bonhoeffer:

Der Gott, der uns verlässt

Wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in der Welt leben müssen – „etsi deus non daretur“ („wie wenn es Gott nicht gäbe“). Und eben dies erkennen wir – vor Gott! Gott selbst zwingt uns zu dieser Erkenntnis. So führt uns unser Mündigwerden zu einer wahrhaftigeren Erkenntnis unserer Lage vor Gott. Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt (Mk15,34)!

Der Gott, der uns in der Welt leben lässt ohne die Arbeitshypothese Gott, ist der Gott, vor dem wir dauernd stehen. Vor und mit Gott leben wir ohne Gott. Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns.

Aus: Bonhoeffer, Dietrich: Widerstand und Ergebung: Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. von Eberhard Bethge, Gütersloh 161997, S. 191 (Brief vom 16.7.1944).

Christen und Heiden

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.

Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.

Aus: Bonhoeffer, Dietrich: Widerstand und Ergebung: Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. von Eberhard Bethge, Gütersloh 161997, S. 188.

Felix Breitling


Karfreitag, 10. April

Videoansprache siehe "Predigten zum Nachhören"

Karfreitag: Jesus stirbt am Kreuz.
Wenn wir zur Ruhe kommen, wenn wir das Leben wahrnehmen, dann rückt auch die Zerbrechlichkeit unseres Lebens wieder stärker in den Mittelpunkt. Sterben in den fernen Ländern, Menschen in Not, aber auch im nahen Umfeld. Die Coronakrise macht es uns wieder bewusst, Ereignisse die uns unmittelbar betreffen.

Das Kreuz auf unserem Bild ist auf dem Reich des Todes aufgerichtet. Beim sterbenden Jesus stehen Maria und Johannes. Nur Trauer und Liebe sind bei ihnen zu sehen,sonst nichts. Maria hat ein purpurfarbenes Gewand an; ihr Untergewand ist blau. Es deutet auf Wahrheit und Treue hin. Sie zeigt mit ihrer Hand auf Jesus. Sie deutet an: Schaut, er tut das alles für uns. Er ist der Sohn Gottes. Und gleichzeitig ist er ganz Mensch.

Jesus stirbt. Er fühlt sich allein gelassen. Schutzlos seinen Mördern ausgeliefert. Schuldlos wird er getötet. Maria steht bei ihm. Und sie fühlt sich ihm nahe.Sie fühlt das furchtbare Leiden. Und sie drückt aus: Wenn Jesus selbst so furchtbar leidet, dann ist er mir nah, wenn ich leiden muss. Wenn ich Furchtbares erlebe, dann weiß er, wie es den Menschen geht. Es ist so, als stürbe er dort, damit ich nicht allein bin, in den schlimmsten Momenten meines Lebens.

Eine Psalmpoesie schlägt die Brücke zu unserem Leben: Mein Gott, wie oft verliere ich mich in meinem Leben. Unendlich weit bin ich weg von dem, was mein Herz lebendig macht. Wie oft fürchte ich, alles ist sinnlos, weil der Tod das Ende ist. Unendlich leer scheint diese Welt. Gott, wo ist deine Liebe, die mich tröstet und mich rettet?

In diese Situation deutet die Kreuzesszene mit Maria und Johannes: Jesus ist ganz Mensch und kennt das Leiden. Er ist Gottes Sohn und liebt den Menschen. Er ist das Zeugnis von Gottes großer Liebe zu uns und unserer Welt. Und wir können nur bescheiden sagen und bitten: Lass uns im Herzen erkennen, was Du für uns getan hast, und sei Du uns nahe.
Noch ein Blick auf unser Bild: Sie haben es schon gesehen, der Himmel hinter dem Kreuz leuchtet hell.

Gebet
Gott, Du bist uns so fern und in Jesus doch ganz nah,
im Leiden triffst Du uns in unserem Leben.
Du zeigst uns Deine Liebe
und gibst uns Hoffnung auf beständiges Leben.
Schenke uns Deine Kraft, damit wir zu Hoffnungsträgern
mitten im Dunkel der Welt werden. Amen

Werner-Malte Hahn

(Bildnachweis und Textpassagen aus: Arbeitshilfe zum Ök. Jugendkreuzweg 2020, Verlag Haus Altenberg)


Gründonnerstag, 9. April

Videoansprache siehe "Predigten zum Nachhören"

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.

Jesus nahm das jüdische Passahfest zum Anlass, mit seinen Jüngern ein üppiges Mahl zu feiern. Er wollte sie alle zusammen wissen. Doch nicht genug: Es sollte Bestand haben über die Geschehnisse der nächsten Tage hinaus. Solches tut zu meinem Gedächtnis. Bis heute teilen Christ*innen Brot und Wein.

Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht
und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt
.

Ein Gespräch via Skype
Luisa: Oma, ist Gott jetzt ganz alleine in der Kirche?
Oma lacht: Nein, Gott wohnt doch nicht nur in der Kirche.
Luisa: Wo wohnt er dann?
Oma: Luisa, weißt du, für mich wohnt Gott in den Menschen. Wenn meine Nachbarin mir die Einkäufe vor die Türe stellt. Und die Apothekerin mir noch die Tabletten am Abend vorbeibringt. Oder heute hab ich eine Postkarte bekommen. Da erlebe ich Gott. Auch dann, wenn ich für meine Freundin am Telefon da sein kann.
Luisa: Hmh, da hat Gott ja ganz schön viel zu tun.

Wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt,
und die Not, die wir lindern, zur Freude wird,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.

Brot und Wein als Zeichen für den Bund zwischen Gott und Mensch und den Menschen untereinander. Zeichen der Gemeinschaft, der Solidarität bewegen, tragen und trösten uns in diesen Tagen: singende und musizierende Menschen auf Balkonen, das Glockenläuten um 12 und um 18 Uhr. Diese Kar- und Ostertage werden anders sein. Ohne vor Ort gemeinsam gefeiertes Abendmahl. Doch Ostern findet statt. In unseren Herzen, in den Bräuchen, in der Liebe, in der Verbundenheit mit allen Christ*innen dieser Welt.

Wenn der Trost, den wir geben, uns weiter trägt,
und der Schmerz, den wir teilen, zur Hoffnung wird,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe, die alles umfängt,
in der Liebe, die alles umfängt.

(Die Liedverse sind aus "Kommt, atmet auf. Liederheft für die Gemeinde" Nr. 091: Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht, Text: Claus-Peter März, Melodie: Kurt Grahl)


Mittwoch, 8. April

Die Herrnhuter Losung für heute lautet:
„Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus.“ (Psalm 51,14)

Einen willigen Geist, ja den brauchen wir gerade alle. Und so willig ist der ja nicht immer.
Als Kind, so mit 11, 12 Jahren, war mir öfter mal langweilig. Das Gespräch mit meiner Mutter verlief dann so:

Ich: „Mir ist langweilig. Was soll ich denn bloß machen?“

Mutti: „Spiel doch bisschen Blockflöte! Ich hör dich gern spielen.“

Ich: „Och, nee, keine Lust.“

Mutti: „Dann schreib der Oma einen Brief.“

Ich: „Hm, nee, jetzt nicht, später.“

Mutti: „Das Wetter ist super. Fahr halt mal mit dem Rad um den Block.“

Ich (nachäffend): „Fahr doch mal mit dem Rad um den Block. – Wie langweilig!“

Mutti (schon etwas ungeduldiger): „Dann les halt was.“

Ich: „Hab nix mehr. Der Bücherbus kommt erst morgen.“

---

Ich: „Ist mir langweilig.“

Mutti: „Du kannst mir helfen und etwas Staub wischen.“

Ich: „…“

Mutti (freudig): „Oder noch besser, Du könntest Deine Vokabeln wiederholen. Später frag ich dich ab.“

Ich: „Echt???? Neeeee. (seufz)“

Und so konnte das noch eine Weile weitergehen. Manchmal will der Geist einfach nicht. Er ist bockig. Alles doof.
Leichter ist es, wenn tatsächlich von irgendwoher eine Hilfe kommt. Der Anruf meiner Freundin, ob wir uns treffen wollen. Das ist wie eine Lebenselixier-Spritze.
Schon ist die Laune besser, die Langeweile wie weggeblasen, der Geist willig.

In diesen Tagen geht es natürlich um mehr, als um Langeweile. Manche haben ganz konkret Angst um ihre Gesundheit, weil sie zur Risikogruppe gehören. Andere bangen um ihre Existenz, weil sie womöglich ihr Geschäft oder ihre Arbeit verlieren.

Auch in diesen Situationen ist es wichtig, mit einem willigen Geist von Tag zu Tag zu gehen. Schritt für Schritt. Lösungsmöglichkeiten anzudenken. Handlungsschritte möglichst nüchtern in den Blick zu nehmen. Positiv zu denken.
Und die Hilfen, die es ganz bestimmt gibt, nicht zu übersehen.

Gott,
ich mache mir Sorgen. Wie wird alles werden?
Zeig mir, dass du da bist. Gib mir einen willigen Geist.
Und erfreue mich mit deiner Hilfe.
Ich brauche dich.
Amen

 

Verena Übler


Dienstag, 7. April

Kaffeeplausch

Ein frische duftende Tasse Kaffee am Morgen. Ich liebe diesen Geruch am Morgen in der Wohnung. Ein Genuss. Außerdem schenkt sie mir Zeit, die Tasse Kaffee. Zeit zum Innehalten, Zeit für einen Moment Ruhe. Zeit, einfach mal nur da zu sein, hinauszuschauen in die Welt. Mit der Tasse in der Hand. Da bin ich. Einfach nur ich.

Und manchmal beginne ich ein Gespräch. Ich erzähle, wie es mir gerade geht, wie ich mich heute Morgen fühle, was alles zu tun ist am heutigen Tag. Was ich mir vornehme, welche Sorgen mich begleiten. Und dann erzähle ich auch von Menschen, die mir wichtig sind. Was sie wohl machen, wie es ihnen geht. Wie sie mit ihrem Schicksal zurechtkommen. Und ab und an kommen auch Erinnerungen hoch. Ich spüre, wie sie mich berühren und bewegen. Worte brauche ich dafür nicht.

Und dann bin ich manchmal auch einfach still und lausche – mit meiner Tasse Kaffee in der Hand.

Die Tasse Kaffee am Morgen tut mir gut. Es tut mir gut, gehört zu werden. Und auch zu hören. Ich habe die Gewissheit: Ich trinke meinen Kaffee nicht allein. Es ist für mich ein Kaffeeplausch mit Gott.

Weitergedacht: Ein paar Anregungen rund ums Thema Gebet finden Sie auf bayern-evangelisch:  https://gebet.bayern-evangelisch.de/beten-als-lebenshaltung.php

Carolin Lochner


Montag, 6. April

„Ich steh vor dir mit leeren Händen Herr“ (EG 382) heißt eines meiner liebsten Lieder im Gesangbuch. Geschrieben hat den Text der niederländische Theologe und Dichter Huub Oosterhuis, ins Deutsche übertragen hat ihn der Theologe und Dichter Lothar Zenetti. Ich zögere oft, dieses Lied für den Gottesdienst auszusuchen. Es hat eine gewisse Schwere und geht nicht gerade leicht über die Lippen. Aber gerade das mag ich an diesem Lied. Es ist ein Lied von Glaube und Zweifel, vom Menschen und seiner Suche nach Gott. Ich werde immer etwas misstrauisch, wenn Menschen von Gott so sprechen, als ob sie ihn besser kennen als er sich selbst. Das Lied schlägt da einen anderen Ton an:

Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;
fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott;
mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?
Bist du der Gott. der Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.

Ja, wir Menschen stehen mit leeren Händen vor Gott. Alles andere, glaube ich, ist eine Illusion. Dieses Lied nimmt meine Zweifel und Fragen auf. Es hat nicht gleich für alles eine Antwort. Es geht darum, diese Fragen auszuhalten. Und wenn wir ehrlich sind, dann geht es darum, diese Fragen miteinander auszuhalten und nicht gleich zu reden. Ja, Gott, ich möchte glauben, komm mir doch ein Stück entgegen.

Von Zweifeln ist mein Leben übermannt,
mein Unvermögen hält mich ganz gefangen.
Hast du mit Namen mich in deine Hand,
in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben?
Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land?
Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

Wir haben oft von Gottes Verheißungen gehört. Werden sie auch wahr, in meinem Leben? Wie viele Lieder ist auch dieses Lied ein gesungenes Gebet. Ja, Gott ich stehe vor dir mit leeren Händen und ich kann mich nicht selbst erlösen. Doch „sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen großen Frieden“. Sei Du mir Nahrung, jeden Tag. In allem Suchen, Fragen und Zweifeln ist Gott da: „Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.“

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden.
Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt,
und laß mich unter deinen Kindern leben.
Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.
Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

 

Hier können Sie das Lied auch anhören:
http://huuboosterhuis.de/ich-steh-vor-dir.463.html

Felix Breitling


Palmsonntag, 5. April

Ansprache siehe "Predigten zum Nachhören"


​Samstag, 4. April

Schon als Kind hat mich der Aufbau des Gesangbuchliedes „Befiehl du deine Wege“ (Evangelisches Gesangbuch 361) von Paul Gehardt fasziniert. Sprachspiele sind etwas Feines. Paul Gerhardt nimmt Psalm 37, 5 und macht ein Akrostichon daraus, zu Deutsch ein „Leistengedicht“. Jede Strophe des Liedes beginnt mit einem Wort aus diesem Psalmvers: „Befiehl dem Herren dein‘ Weg und hoff‘ auf ihn, er wird’s wohl machen.“

Da muss man erstmal drauf kommen. Das ist fast ein Geheimcode.

So wie bei dem Fisch, der auf vielen Autos klebt. Ichthys, so heißt Fisch auf Griechisch. Und mit jedem Buchstaben kann man ein Wort beginnen, bis die Aussage entsteht: „Jesus Christus (ist) Gottes Sohn“. Wo auch immer in der Alten Kirche der Fisch z.B. in eine Hauswand geritzt war, wussten die Eingeweihten: Hier sind Christ*innen zu Haus.

Es ist nicht genau bekannt, wann das Lied entstanden ist, auf alle Fälle vor 1653, weil es dann im  Gesangbuch Praxis Pietatis Melica von Johann Crüger veröffentlicht ist.

Vielleicht hat Paul Gerhardt es noch während oder zumindest unter dem Eindruck des 30jährigen Krieges geschrieben.

Mich berühren Text und Melodie. Aus jeder der Strophen spricht Zuversicht. Getrost dürfen wir uns Gottes Händen anvertrauen, auch wenn Gottes Wege oft unerforschlich sind.

Unsere Seele darf unverzagt hoffen, Gott wird uns nicht im Stich lassen. Auch wenn wir uns gerade wie in einer Höhle vorkommen (6. Strophe), wenn uns Sorgen und Kummer im Blick auf die Zukunft plagen, werden wir sie doch wieder erblicken: die Sonn der schönsten Freud.

Das Lied will trösten, Mut machen und Kraft schenken. Und dann, mit Blick auf Palmsonntag: „Gott gibt dir selbst die Palmen in deine rechte Hand, und du singst Freudenpsalmen dem, der dein Leid gewandt.“
 

Kommen Sie gut durch den Tag!

Verena Übler

Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.

Dem Herren musst du trauen,
wenn dir’s soll wohlergehn;
auf sein Werk musst du schauen,
wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen
und mit selbsteigner Pein
lässt Gott sich gar nichts nehmen,
es muss erbeten sein.

Dein’ ewge Treu’ und Gnade,
o Vater, weiß und sieht,
was gut sei oder schade
dem sterblichen Geblüt;
und was du dann erlesen,
das treibst du, starker Held,
und bringst zum Stand und Wesen,
was deinem Rat gefällt.

Weg hast du allerwegen,
an Mitteln fehlt dir’s nicht;
dein Tun ist lauter Segen,
dein Gang ist lauter Licht;
dein Werk kann niemand hindern,
dein Arbeit darf nicht ruhn,
wenn du, was deinen Kindern
ersprießlich ist, willst tun.

Und ob gleich alle Teufel
hier wollten widerstehn,
so wird doch ohne Zweifel
Gott nicht zurücke gehn;
was er sich vorgenommen
und was er haben will,
das muss doch endlich kommen
zu seinem Zweck und Ziel.

Hoff, o du arme Seele,
hoff und sei unverzagt!
Gott wird dich aus der Höhle,
da dich der Kummer plagt,
mit großen Gnaden rücken;
erwarte nur die Zeit,
so wirst du schon erblicken
die Sonn der schönsten Freud.

Auf, auf, gib deinem Schmerze
und Sorgen gute Nacht,
lass fahren, was das Herze
betrübt und traurig macht;
bist du doch nicht Regente,
der alles führen soll,
Gott sitzt im Regimente
und führet alles wohl.

Ihn, ihn lass tun und walten,
er ist ein weiser Fürst
und wird sich so verhalten,
dass du dich wundern wirst,
wenn er, wie ihm gebühret,
mit wunderbarem Rat
das Werk hinausgeführet,
das dich bekümmert hat.

Er wird zwar eine Weile
mit seinem Trost verziehn
und tun an seinem Teile,
als hätt in seinem Sinn
er deiner sich begeben,
und sollt’st du für und für
in Angst und Nöten schweben,
als frag er nichts nach dir.

Wird’s aber sich befinden,
dass du ihm treu verbleibst,
so wird er dich entbinden,
da du’s am mindsten glaubst;
er wird dein Herze lösen
von der so schweren Last,
die du zu keinem Bösen
bisher getragen hast.

Wohl dir, du Kind der Treue,
du hast und trägst davon
mit Ruhm und Dankgeschreie
den Sieg und Ehrenkron;
Gott gibt dir selbst die Palmen
in deine rechte Hand,
und du singst Freudenpsalmen
dem, der dein Leid gewandt.

Mach End, o Herr, mach Ende
mit aller unsrer Not;
stärk unsre Füß und Hände
und lass bis in den Tod
uns allzeit deiner Pflege
und Treu empfohlen sein,
so gehen unsre Wege
gewiss zum Himmel ein.

 


Freitag, 3. April

„Ich freue mich, dass Sie anrufen“ habe ich in letzter Zeit oft am Telefon gehört. „Ich freue mich auch über die Offene Kirche und den Gedanken zum Tag – aber das ersetzt halt leider doch einfach nicht die persönliche Begegnung.“ Ja, das stimmt. Das alles ersetzt nicht die persönliche Begegnung. Im Gottesdienst sitzen wir sonst nebeneinander, feiern zusammen Abendmahl und reichen uns danach die Hand, an der Kirchentür verabschieden wir uns mit Händedruck, treffen uns zum Kirchenkaffee, sitzen uns beim Seniorenkreis gegenüber. Im Chor stehen wir nebeneinander, singen und hören unsere Stimmen. Die Mitglieder unseres Besuchsdienstkreises machen Geburtstagsbesuche.

Viele, die im Home-Office arbeiten, sagen auch, dass ihnen diese persönlichen Begegnungen fehlen, am Kaffeeautomaten, in der Kantine oder beim Gespräch auf dem Flur. Das alles können technisch noch so gute Videokonferenzen nicht ersetzen. Das Zwischenmenschliche bleibt dabei oft auf der Strecke.

Und besonders denke ich an die Menschen, die gerade isoliert in Seniorenwohnheimen oder Krankenhäusern sind.

Gott ist Mensch geworden und leibhaftig in die Welt gekommen. Als Mensch mit allen Sinnen. „Und das Wort ward Fleisch“, heißt es im Johannesevangelium. Jesus setzt sich mit Menschen an einen Tisch, heilt und weckt Tote auf, indem er sie berührt und er lässt sich selbst berühren.

Wir Menschen sind soziale Wesen und wir brauchen beides, Nähe und Distanz im Gleichgewicht. Ja, ein Anruf ersetzt nicht die persönliche Begegnung. Trotzdem tut es gut, jemanden anzurufen, miteinander zu reden und sich auszutauschen. Auch wir freuen uns über Ihren Anruf.

Felix Breitling


Donnerstag, 2. April

Die Drogeriemarktkette Rossmann hat in den vergangenen Wochen Rekordumsätze gemacht. Zunächst mit Klopapier und Seife, dann „mit allem“, so der Chef. Mit allem außer Kosmetik. Denn: „Wenn man eh nur daheim ist, braucht man keine Kosmetik.“

Ganz falsch. Ich widerspreche ausdrücklich. Und erinnere mich an die letzte Phase meines Studiums, als ich mich auf das Examen vorbereitet habe. Damals wohnte ich in einem Wohnheim (nicht nur) für Theologiestudierende, dem Adolf-Clarenbach-Haus in Bonn. Mein Zimmer war ganz oben im dritten Stock. Unten im Erdgeschoss gab es eine kleine Bibliothek. Dort, an einem Schreibtisch am Fenster war über Monate mein „Arbeitsplatz“. Der Weg dorthin betrug drei Stockwerke, ich musste nicht vor die Tür. Theoretisch hätte ich mich im Schlafanzug und mit Schlappen dorthin begeben können. Die Einsamkeit des Lesens, Kartei-Karten-Schreibens, Wiederholens und Einprägens der Lernstoffe hat jedoch folgendes bewirkt: Am Morgen habe ich mir die Haare schön gemacht, die Augen geschminkt und sogar Lippenstift aufgelegt. Ich habe mich ordentlich angezogen – gut, auf schicke Schuhe habe ich verzichtet – und so gestylt bin ich die Treppen hinuntergeschritten, als würde ich zu einer Verabredung gehen. In der Ausnahmesituation der Prüfungsvorbereitung hat mir das so gut getan und ein Gefühl von Normalität gegeben.

In Gesprächen mit Senior*innen erfahre ich Ähnliches. Manche leben schon lange allein, weil sie früh verwitwet sind. Streng halten sie sich an ihre Tagesroutine, auch was das Hübschmachen betrifft. Es gibt ihnen Stabilität und Sicherheit.

Von beidem können wir gerade viel brauchen.

Also, probieren Sie es aus: machen Sie sich schön! 

Verena Übler


P.S. Und ergänzend hier noch ein Lied für den Tag: „I Say A Little Prayer“  von Dionne Warwick (1967). Ein Liebeslied zwar, aber mich begeistert die Kombination von Schönmachen und beten. Und beten können wir ja für alle unsere Liebsten.

„The moment I wake up
Before I put on my makeup
I say a little prayer for you
While combing my hair now,
And wondering what dress to wear now,
I say a little prayer for you.”

„Gleich, wenn ich aufwache,
ehe ich mein Makeup auftrage,
spreche ich ein kleines Gebet für dich.
Während ich meine Haare kämme
und überlege, welches Kleid ich anziehen soll,
spreche ich ein kleines Gebet für dich.“


​Mittwoch, 1. April

„Nada te turbe, nada te espante; quien a Dios tiene nada le falta. Nada te turbe, nada te espante: Solo Dios, basta.“ Seit ich 1992 zum ersten Mal bei einem der Jugendtreffen in Taizé war, begleitet mich dieses Lied. Es wurde für die gemeinsamen Gebete der Brüder und aller, die dort eine Woche lang zu Gast sind, komponiert. Die Worte stammen von der Mystikerin und Theologin Teresa von Avila, die im 16. Jahrhundert in Spanien wirkte. Mit den Worten „Nichts soll dich ängsten, nichts soll dich quälen, wer sich an Gott hält, dem wird nichts fehlen. Gott allein genügt“ kann dieses Lied auch auf Deutsch gesungen werden.

Es hat eine beruhigende Melodie. Ich singe es oder summe es vor mich her, wenn es mir nicht gut geht, oder wenn ich gestresst bin. Wenn ich es singe, kehrt eine innere Ruhe in mir ein. Dieses Lied ist ein einfaches Gebet, das ich schätze und liebgewonnen habe. Über das Beten hat Teresa von Avila geschrieben: „Es ist nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein.“ 

Felix Breitling