Oktober 2022

Samstag, 29. Oktober

Freedom is just another word for nothing left to lose.

So singt Janis Joplin in dem Lied „Me and Bobby McGee“. Freiheit ist nur ein anderes Wort für „Nichts zu verlieren“.
Ist das wirklich so? Ist man dann frei, wenn man nichts mehr zu verlieren hat? Wenn man alle Bindungen aufgelöst hat? Wenn nichts mehr hält oder zurückhält?
Auf den ersten Blick scheint was dran zu sein, denn wenn ich mich aus allem gelöst habe, kann ich auch von nichts und niemand verletzt werden. Dann habe ich auch keine Angst mehr andere zu enttäuschen oder von anderen enttäuscht zu werden. Dann muss ich nichts mehr festhalten, weil ich alles schon losgelassen habe.
Auf den zweiten Blick erscheint es mir nicht mehr so logisch. Freiheit erlebe ich auf dem Boden der Liebe. Sowohl die Liebe von anderen Menschen zu mir als auch die Liebe von Gott (ganz besonders!) gibt mir einen sicheren Stand. Aus dieser Sicherheit heraus kann ich frei leben.

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum!“ heißt es in Psalm 31.

P.S. Und wer das Lied nochmal hören möchte: https://www.youtube.com/watch?v=sfjon-ZTqzU

Verena Übler


Mittwoch, 26. Oktober

Da ich heute in der Schule eine Kollegin verteten habe und eine ganze Klasse hatte, habe ich aus dem Buch "Alles von Zackarina und dem Sandwolf" vorgelesen. Das Mädchen Zackarina, das mit ihren Eltern in einem Haus am Meer wohnt, trifft eines Tages am Strand den Sandwolf, mit dem sie zukünftig Gespräche über alle möglichen Themen führt. In einem ihrer Gespräch geht es um die Frage: "Was und wo war ich, bevor ich geboren wurde?"

"Warte doch!" rief Zackarina. [...] Was war ich, bevor ich geboren wurde?" "Das wirst du wohl selbst wissen!", rief der Sandwolf zurück. "Das ist doch deine Geschichte!" (Asa Lind, Alles von Zackarina und dem Sandwolf, Weinheim, 2008, S. 30).

"Ich war im Himmel." sagte ein Mädchen in der Klasse. "Ich war bei Gott", ein Junge. "Ich glaube, ich war ein Baum." sagte ein anderes Mädchen. "Ich war schon irgendwie bei meinen Eltern. Aber wie, weiß ich nicht" sagte noch ein Junge.

"Es war dir mein Gebein nicht verborgen, da ich im Verborgenen gemacht wurde, da ich gebildet wurde unten in der Erde. Deine Auge sahen mich, da ich noch nicht bereitet war, (...)" heißt es in Psalm 139.

Ja, wo waren wir ehe wir geboren wurden?

Felix Breitling


Montag, 24. Oktober

Wo wir leben III

Auf einigen Bildern in der Foto-Ausstellung, die aktuell in der Offenbarungskirche gezeigt wird, sind Wege und Straßen zu sehen.

Bild aus der Ausstellung 2022
Bildrechte Guido Sarrazin

Wie auf dem nebenstehenden Foto die Berg-am-Laim-Straße, die sich wie eine breite Schneise durch den Westen Berg am Laims zieht.

Wege können verbinden, und die Autofahrer*innen, die auf dem Bild unterwegs sind, haben ja vermutlich alle ein Ziel, das sie über die Straße erreichen werden. Und die Trambahn-Gleise verbinden Berg am Laim mit der Innenstadt Münchens.
Aber Wege können auch trennen, und erschweren es wie hier den Menschen, die links und rechts der Straße leben, die jeweils andere Straßenseite zu erreichen, besonders Kindern und Menschen, die in ihrer Mobiliät eingeschränkt sind.

Für uns alle sind in der Beziehung zu den anderen Menschen die Wege wichtig, über die wir sie erreichen. Und das sind meistens Wege im übertragenen Sinn, wie Worte oder Taten, Gefühle, gemeinsame Interessen oder gemeinsame Erlebnisse. Es gibt unzählige solcher Wege und Verbindungen, wir müssen sie nur suchen und begehen.

In der Monatslosung für den Oktober 2022 geht es übrigens auch um Wege:
Groß und wunderbar sind Deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker.
(Offenbarung 15,3)

Mathias Brandstätter


Freitag, 21. Oktober

Hand in Hand
Heute kommt der Gedanke zum Tag mal wieder aus der Züricher Bahnhofkirche.
Damit wünsche ich allen einen gesegneten Wochenausklang.

Mittwoch, 19. Oktober

Wo wir leben II

Am Sonntagabend feiern wir den "Gottesdienst Anders" passend zur Ausstellung der Foto AG zum Thema "Wo wir leben".
In der Vorbereitung haben wir einige Leute dazu befragt, was für sie wichtig ist, dass sie dort, wo sie leben, gerne leben.
Weshalb sie sich dort, wo sie leben, zu Hause fühlen. Ein paar der Antworten werden wir in einer kleinen Toncollage im Gottesdienst vorspielen.
Vorab: Meistens sind es die Beziehungen zu anderen Menschen, die dazu beitragen, dass wir uns dort wo wir leben, zu Hause fühlen. Nachbarinnen und Nachbarn, der Ladenbesitzer, der mich täglich grüßt, wenn ich an seinem Laden vorbeigehe, der Chor, in dem ich singe, die Kirchengemeinde, in der ich ehrenamtlich aktiv bin...
Ich kann dem nur zustimmen: Es sind die Menschen in meiner Umgebung, die das Viertel, den Stadtteil, die Stadt, in der ich lebe, für mich zu einem zu Hause machen. Menschen, auf die ich mich verlassen kann, die für mich zu Freundinnen und Freunden geworden sind, denen ich nichts vormachen muss. Menschen, denen ich begegne - wir grüßen einander, wechseln ein paar Worte.
Viele reden ja oft von der "anonymen Großstadt". Dass sie das nicht wird, liegt an denen, die in ihr leben.

Felix Breitling


Montag, 17. Oktober

Wo wir leben

Garagentor in der Maikäfersiedlung
Bildrechte Barbara u. Walter Stiegler

Seit gestern ist in der Offenbarungskirche die neue Ausstellung der Foto AG zu besichtigen.
"Wo wir leben" ist der Titel, und dahinter verbirgt sich eine kleine fotografische Reise durch das Gebiet der Sophie Scholl-Kirchengemeinde. Die Fotograf*innen zeigen uns mit ihren Bildern die Vielfalt des Gemeindegebiets und die unterschiedlichen Umgebungen, in denen die Gemeindeglieder wohnen und leben.
Bei vielen Bildern wird man vermutlich zuordnen können, wo sie aufgenommen wurden, aber sicher gibt es für alle in der Ausstellung auch Orte, die sie noch nie gesehen haben, zumindest nicht bewußt.
Es macht vielleicht neugierig, diese Orte selbst zu suchen und soll generell dazu anregen, die nähere Umgebung einmal genauer bei einem Spaziergang in Augenschein zu nehmen. Die Entfernungen sind ja nicht allzu groß, und oft reicht es schon aus, ein paar Ecken weiter in eine bisher unbekannte Straße abzubiegen und einen Weg zu gehen, den man sonst nicht nimmt. 

Mathias Brandstätter


Freitag, 14. Oktober

Im Gottesdienst zum Erntedankfest durfte, wer wollte, ein „Elfchen“ schreiben. Das ist ein Gedicht mit einem bestimmten Aufbau, ähnlich einem japanischen Haiku. Der Name kommt daher, dass das Gedicht insgesamt aus 11 Wörtern besteht. 
Das Thema war – natürlich – Erntedank. Wofür sind Sie in diesem Jahr dankbar? Versuchen Sie doch mal, es in einem Elfchen auszudrücken. Im Gottesdienst sind diese hier entstanden:

Sommer
Herbst, bald
Essen und trinken
Wir sind nun satt
Danke

Danke
Liebe, Güte
Frieden und Hoffnung
es geht noch mehr
Anpacken!

Glauben
fühlen leben
Gott und ich
ein gutes Team für
IMMER

Frieden
Liebe Verzeihn
helfen und beten
Dank für jeden Tag
Immer

Zuversicht
nachdenken entspannen
Vergangenheit und Zukunft
versuchen zu verstehen
Hoffnung

Verena Übler


Mittwoch, 12. Oktober

„Ich ha mich veränderet. Ich bi nüme de gliich“ singt der Schweizer Sänger Fai Baba.
„Ich habe mich verändert. Ich bin nicht mehr der Gleiche“.

„Das Recht ein anderer zu werden“ so lautet der Titel eines Buches mit Texten der Theologin Dorothee Sölle.
„Von neuem geboren werden“ sagt Jesus.

Ich darf mich verändern. Ich muss nicht der oder die Gleiche bleiben.
Wir verändern uns – durch ein Ereignis, eine Begegnung, durchs Älterwerden, durch eine Einsicht.
Oft ist das ein lang andauernder, krisenhafter Prozess. Manchmal mündet er in eine bewusste Entscheidung.

„Ich habe mich verändert. Ich bin nicht mehr der Gleiche“.
Für unsere Mitmenschen ist das meist gar nicht so einfach, wenn sie merken, dass wir uns verändert haben und wir nicht mehr die Gleichen sind.
Aber das Leben ist Veränderung und wir haben immer das Recht ein(e) andere(r) zu werden.

Felix Breitling


Montag, 10. Oktober

Herbstliche Blätter an der Offenbarungskirche
Bildrechte M.Brandstätter

Herbstblätter

Gerade war doch noch Sommer? Und nun hat der Herbst sichtbar begonnen, die Blätter auf den Bäumen verfärben sich und fallen herunter.
Die einen ärgern sich vielleicht darüber, wegen rutschigen Wegen und Straßen, wegen dem Lärm der "Laubbläser" und dass in den Gärten und Parks Unmengen an Blättern weggeräumt werden müssen.
Die anderen dagegen freuen sich an der bunten Farbpracht, an dem Geraschel beim Stapfen durch Laubhaufen und über die Bastelmöglichkeiten mit bunten Blättern und anderen herbstlichen Früchten. Und die Tiere im Garten bekommen ein wärmendes Winterquartier, das ihnen das Überleben sichert - solange man ihnen ein paar Laubhaufen übrig lässt.

So hat (fast) alles seine zwei Seiten.
Es kommt immer drauf an, wie man es betrachtet.

Mathias Brandstätter


Freitag, 7. Oktober

Aus dem „Gottesdienstbuch: Oase des Friedens“ zur 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen 2022 in Karlsruhe:

Gott, mit uns auf dem Weg. 
Du kennst unser Leben,
Du teilst unsere Geschichten,
Du kommst uns nah, 
hier sind wir, 
oben auf den Bäumen unserer Enttäuschungen,
unserer Ängste und unserer Bedürfnisse.

Unsere Herzen sehnen sich nach Dir,
nach Deinen Worten der Gnade
mitten in allen Widersprüchen und Konflikten,
die uns und die Unversehrtheit 
unserer gemeinsamen Heimat bedrohen.

Unsere Herzen warten darauf, 
dass Du uns siehst und 
uns das Licht der Hoffnung zurückgibst.

Rufe uns bei unserem Namen, 
erinnere uns daran, dass Dir unsere Geschichten 
nicht gleichgültig sind.
Lade uns ein, mit Dir zu gehen und 
zu einer neuen Welt der Gerechtigkeit, der Versöhnung, 
der Einheit, des Friedens und der Ganzheitlichkeit zu pilgern.

Wir antworten Dir und 
öffnen unsere Türen und Häuser in Solidarität,
bieten allen einen Platz an unserem Tisch und 
verpflichten uns zu einem neuen Leben, 
verwandelt durch Deine Barmherzigkeit.
Amen

Verena Übler


Mittwoch, 5. Oktober

"Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen"
lautet ein Zitat von Astrid Lindgren.

Und da ich jetzt einfach noch da sitzen und vor mich hinschauen möchte, war das auch schon der Gedanke zum Tag.

Also am besten: Computer aus. Laptop schließen, Smartphone oder Tablet weglegen und dann einfach da sitzen und vor sich hinschauen.

Felix Breitling


Montag, 3. Oktober

Erntezeit

Börtlinger Weinapfel
Bildrechte M.Brandstätter

Hätten Sie ihn auf dem Foto erkannt, den Börtlinger Weinapfel?

Es ist eine alte und inzwischen seltene Apfelsorte, die rund um das Dorf Börtlingen in Baden-Württemberger früher sehr verbreitet gewesen war. Aber mit dem Verschwinden der Streuobstwiesen sind solche Apfelsorten inzwischen meistens vom Aussterben bedroht.
Im 19. Jahrhundert gab es allein in Deutschland geschätzt über unterschiedliche 2000 Apfelsorten. Fast alle waren regional gezüchtet, d.h. die Sorten waren jeweils bestens angepasst an die Boden- und Klimaverhältnisse, sie unterschieden sich nach Haltbarkeit, Erntezeit und vielen anderen Faktoren, und vor allem muss es eine unvorstellbare Geschmacksvielfalt gewesen sein.
Wieviel Apfelsorten gibt es heute noch im Supermarkt? Vermutlich weniger als ein Dutzend, die weniger auf Geschmack als auf Gleichmäßigkeit, Transport- und Lagerfähigkeit optimiert wurden und in ausreichend großen Stückzahlen das ganze Jahr zur Verfügung stehen.

Unter den alten Sorten gab es sicher einige, die vielleicht gut mit den Folgen des Klimawandels zurecht kämen oder mit neu auftretenden Schädlingen fertig geworden wären, die vielleicht auch unter Gesundheitsaspekten für uns Verbraucher besonders wertvoll gewesen wären.
Wenn eine alte Sorte ausgestorben ist, dann ist sie wohl unwiederbringbar verloren gegangen, denn es ist sehr zu bezweifeln, dass sich heute noch jemand die Mühe macht, über Generationen hinweg eine neue Apfelsorte heranzuzüchten.
Aber wenigstens gibt es noch einige Bäume des Börtlinger Weinapfels, u.a. in einem Obstlehrpfad, wo ich diese schöne Exemplar fotografieren konnte. Die Bezeichnung Weinapfel kommt übrigens davon, dass aus diesem Apfel vor allem Apfelwein hergestellt wurde.

Mathias Brandstätter